Diakoniegeschichte schreiben: Methoden - Konzepte - Perspektiven

Diakoniegeschichte schreiben: Methoden - Konzepte - Perspektiven

Organizer
Institut für Diakonie- und Sozialgeschichte (IDSG)
Venue
Bielefeld
ZIP
33617
Location
Bielefeld
Country
Germany
Takes place
Hybrid
From - Until
25.10.2024 - 26.10.2024
Deadline
31.01.2024
By
Ursula Krey, Institut für Diakonie- und Sozialgeschichte an der Universität Bielefeld, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie.

Workshop des Instituts für Diakonie- und Sozialgeschichte (IDSG) in Kooperation mit dem Institut für Diakoniewissenschaft und Diakoniemanagement (IDWM) an der Universität Bielefeld. Die Veranstaltung findet vom 25.-26. Oktober 2024 in Bielefeld-Bethel, Bethelweg 8 statt. Erwünscht sind Abstracts (max. 1 Seite) von Forschenden aus dem Bereich der Diakoniegeschichte und anderen Forschungsfeldern mit einem innovativen Blick von außen auf die Diakoniegeschichte für Kurzvorträge (max. 20 Minuten).

Diakoniegeschichte schreiben: Methoden - Konzepte - Perspektiven

Die neuere Diakoniegeschichte hat wichtige Impulse aus der allgemeinen Geschichtswissenschaft erhalten. Insbesondere das Konzept der Gesellschaftsgeschichte – als „Sozialgeschichte in der Erweiterung“ – hat sich als fruchtbar erwiesen.
Zum einen ist die Geschichte der Diakonie in den Zusammenhang der großen Entwicklungslinien von Staat und Gesellschaft eingeordnet worden. Diakoniegeschichte wird auf der Hintergrundfolie der Basisprozesse der Moderne betrachtet: Es geht um Verberuflichung und Professionalisierung, Rationalisierung und Verwissenschaftlichung, Individualisierung und Ausdifferenzierung, Verrechtlichung und Bürokratisierung, den wachsenden Einfluss des Staates, die Säkularisierung und nicht zuletzt auch um die Ökonomisierung „christlicher Liebestätigkeit“.
Zum anderen bricht die neuere diakoniegeschichtliche Forschung mit der auch in der Diakonie lange Zeit vorherrschenden Geschichte der großen Männer (und – mit gehörigem Abstand – der großen Frauen). Nicht, dass Personen keine Rolle mehr spielten. Ihr Handeln wird aber konsequent aus einem Kranz politischer, ökonomischer, sozialer und kultureller Strukturen und Prozesse erklärt.
Zum dritten unterscheidet sich die neuere Diakoniegeschichte von der älteren Diakoniegeschichtsschreibung auch in anderer Hinsicht: Sie thematisiert Konflikte innerhalb der Diakonie – früher ein Tabuthema –, sie geht auf die praktische Arbeit diakonischer Unternehmungen ein, bringt auch deren Schattenseiten, etwa Gewaltstrukturen in diakonischen Einrichtungen, zur Sprache und bemüht sich, die Bewohnerinnen und Bewohner diakonischer Einrichtungen nicht nur als Objekte „christlicher Liebestätigkeit“ zu beschreiben, sondern – soweit die Quellenlage es zulässt – auch als eigensinnige, manchmal widerständige Subjekte, die in der diakonischen „Sonderwelt“ ihre eigenen Strategien zum Leben und Überleben entwickeln.
In der allgemeinen Geschichtswissenschaft sind die Diskussionen um theoretische Zugänge und innovative Methoden weitergegangen. Neue Forschungsfelder jenseits der klassischen Gesellschaftsgeschichte mit je eigenen Perspektiven, Begriffen und Methoden haben sich entwickelt. Anlass genug, darüber nachzudenken, inwieweit sich diese Neuansätze auch in der Diakoniegeschichte fruchtbar machen lassen – nicht zuletzt, um eine jüngere Generation von Forschenden für dieses Themenfeld zu interessieren.

Mögliche Referats- oder Sektionsthemen könnten sein:

- Diakoniegeschichte und Gender History: Welche Frauen- und Männerbilder kultivieren die weibliche und die männliche Diakonie? Wie geht Diakonie mit der Geschlechtlichkeit ihrer Klientinnen und Klienten um? Wie entwickelt sich das Zusammenleben der Geschlechter in den von der Diakonie geschaffenen „Sonderwelten“?
- Diakoniegeschichte und (Dis)ability History: Welche Beiträge leistet Diakonie zur sozialen Konstruktion von „Behinderung“ bzw. „Nicht-Behinderung“? Welche Rolle spielt Diakonie im Spannungsfeld von Exklusion und Inklusion?
- Diakoniegeschichte und Psychiatriegeschichte: Lassen sich die Ansätze der neueren, von den Patientinnen und Patienten her denkenden Psychiatriegeschichte für die Diakoniegeschichte fruchtbar machen? Wie lassen sich Patientenakten als Quelle von Diakoniegeschichte nutzen?
- Diakoniegeschichte und cultural turn in der Geschichtswissenschaft: Wie lassen sich Bildquellen aus der Diakonie (Fotos, Filme, bildliche Darstellungen in diakonischen Publikationen usw.) nach den Methoden der visual history auswerten? Wie klingen die diakonischen Sonderwelten (sound history)? Wie lassen sich die von der Diakonie geschaffenen „Anstaltsortschaften“ im Sinne der Architektur- und Raumgeschichte oder der Urbanisierungsforschung untersuchen?
- Diakoniegeschichte und Mediengeschichte: Wie wirkte sich der Siegeszug neuer Medien wie Film, Radio, Fernsehen und – ganz aktuell – Internet auf die Arbeit der Diakonie aus? Wie hat sich Diakonie dadurch verändert?
- Diakoniegeschichte und transnationale Geschichte: Welche transnationalen Netzwerke bestehen im Bereich der Diakonie? Wie funktioniert transnationaler Wissenstransfer? Welche Rolle spielt die Diakonie innerhalb der deutsch-deutschen Verflechtungsgeschichte nach 1945?
- Quantitative Methoden in der Diakoniegeschichte (digital history): Welche Chancen eröffnet die Digitalisierung und computergestützte Auswertung von Massenquellen etwa im Hinblick auf eine Netzwerkanalyse?
- Oral History in der Diakoniegeschichte: Wie können mündliche Zeugnisse in der Diakoniegeschichte methodisch fundiert gesammelt, gesichert und ausgewertet werden?
- Diakoniegeschichte und Theologie/Kirchliche Zeitgeschichte: Wie entwickelt sich der Diskurs über die transzendente Dimension diakonischen Handelns vor dem Hintergrund sich wandelnder gesellschaftlicher Rahmenbedingungen? Wie wird das religiöse Proprium definiert? Inwiefern spiegeln sich Konfessionskulturen in diakonischer Theoriebildung und Praxis wider?
- Ökumenische und interreligiöse Aspekte der Diakoniegeschichte: Wie hat sich das Verhältnis von Innerer Mission/Diakonie und Caritas entwickelt? Wie haben sich ökumenische Impulse auf das Selbstverständnis der Diakonie ausgewirkt? Wie geht Diakonie mit Klientinnen und Klienten anderer Religionszugehörigkeit um?
- Diakoniegeschichte und Organisationstheorie: Wie verändern sich Leitungsstrukturen in diakonischen Unternehmungen im Laufe der Zeit? Welche besondere Rolle spielen diakonische Unternehmen mittlerer Größe im Vergleich zu großen Komplexeinrichtungen? Wie gestaltet sich das Verhältnis diakonischer Unternehmen zum Transformationsprozess kirchlicher Strukturen?

Die Liste lässt sich erweitern. Themenvorschläge sind willkommen.

Contact (announcement)

Dr. Ursula Krey, ursula.krey@idsg-bielefeld.de

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German
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